Glas mit Milch
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Milchkonsum – eine ethische, gesundheitliche und ökologische Betrachtung

Jährlich werden in Deutschland 88,2 kg Frischmilchprodukte pro Kopf konsumiert. Die deutsche Milchindustrie hat einen jährlichen Umsatz von 27,1 Mrd. € [1]. Milchprodukte haben den Ruf gesundheitlich vorteilhaft zu sein und starke Knochen zu machen. Unsere Ernährungsgesellschaft empfiehlt Milch zum täglichen Konsum in einer ausgewogenen und gesunden Ernährung. Doch was steckt hinter dem Mythos Milch?

In diesem Beitrag wird der Milchkonsum aus ethischen, gesundheitlichen und ökologischen Blickwinkeln betrachtet.

 

Von der Kuh auf der Weide, oder doch nicht?

Zuerst einmal möchte ich das romantische Bild von auf der Weide grasenden Kühen auflösen. Auch wenn ich kein Freund von dem erhobenen Zeigefinger bin, ist es dennoch notwendig aus ethischer Sichtweise die Grundproblematiken in der Milchkuhhaltung zu kennen.

Laut Angaben des statistischen Bundesamtes leben ca. 4,1 mio Milchkühe in Deutschen Ställen. 61.087 Betriebe haben in Deutschland einen Milchkuhbestand [1]. Im Durchschnitt hat ein Betrieb also rund 67 Milchkühe. Allein diese Zahlen zeigen schon, dass die Milchkühe nicht friedlich auf irgendwelchen Weideflächen stehen können. Ausgenommen sind hier übrigens alle Kühe und Rinder die zur reinen Fleischproduktion gehalten werden.

Tatsächlich wird ein Großteil der Kühe auf Beton- oder Spaltenböden gehalten. 70 % der Tiere leben dabei in sogenannten Laufställen. Ca. 1 Mio Kühe werden immer noch in Anbindehaltung gehalten [2]. Für Kühe, die ansonsten individuelle Persönlichkeitsmerkmale entwicklen würden und Freundschaften halten, sind die Bedingungen in den meisten Betrieben mehr als schrecklich. Bewegungsmangel, falsche (auf Wachstum ausgerichtete) Fütterung, Verletzungen und Antibiotikagaben stehen auf der Tagesordnung.

Kühe müssen regelmäßig kalben, um Milch geben zu können.

Zudem ist vielen nicht bewusst, dass Kühe nicht ihr ganzes Leben lang Milch geben, sondern hierfür entbunden haben müssen. Milchkühe werden deshalb regelmäßig künstlich befruchtet. Nach einer neunmonatigen Schwangerschaft wird das Kalb meist direkt nach der Geburt entrissen und in Einzel- später in Gruppenhaltung separat von der Mutter gehalten.

Diese Tatsache zeigt einen wichtigen ethischen Aspekt des Milchkonsums auf. Genau wie auch wir Menschen, sind Milchkühe Säugetiere, welche ihre Milch zur Aufzucht des Kalbes abgeben. In der Milchindustrie werden sie jedoch zu Milchproduktionsmaschinen degradiert und hochgezüchtet, sodass ein besonders hoher „Ertrag“ möglich ist. Unter diesen Bedingungen ist eine Milchkuh nach etwa vier bis fünf Jahren für den Milchbetrieb uninteressant und landet im Schlachthof. Unter besseren Lebensbedingungen hätte eine Kuh eine Lebenserwartung von etwa 20 Jahren. Bei anderen Tierarten, die zur Milchproduktion verwendet werden herrschen leider ähnliche Bedingungen.

Ist denn die Biohaltung eine Alternative? Nicht wirklich, denn auch Biokühe müssen regelmäßig kalben und werden von ihren Kälbern getrennt. Die Haltung kann jedoch besser ausfallen als in der konventionellen Landwirtschaft.

Bild eines Kälbchens

Kuhmilch, die Säuglingsnahrung der Kälber

Da aus ethischer Sichtweise der Milchkonsum nicht zu empfehlen ist, bleibt nun die Frage ob er denn gesundheitlich notwendig ist. Hierzu sollten wir uns erst noch einmal klar machen, was die Milch eigentlich ist. Wie im oberen Absatz angedeutet, ist Milch die Säuglingsnahrung von Kühen für ihre Kälber und damit vergleichbar mit der Milch, die Frauen nach einer Entbindung für ihre Babys produzieren. In der Zusammensetzung unterscheiden sich beide Milchsorten jedoch stark.

Die Kuhmilch enthält durchaus gesunde Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe. Z.B. ist die Milch reich an Vitamin A, D, B12 Riboflavin und Thiamin. Zudem enthält sie Kalium, Phosphor, Magnesium, Zink und das viel hervorgehobene Calcium. Genau wie menschliche Milch ist sie zudem reich an dem Kohlenhydrat Laktose und enthält wichtige Fette. Im Hinblick auf die enthaltenen Wachstumshormone ist jedoch ein deutlicher Unterschied erkennbar.

Die Milchproduktion bei der Kuh und auch bei dem Menschen ist sehr anpassungsfähig und verändert sich nicht nur im Laufe der Zeit nach der Geburt sondern sogar während des Stillens. Die Milch der Kuh ist im Gegensatz zum menschlichen Pendant jedoch dafür ausgerichtet ein kleines Kälbchen beim Wachstum zu einer großen Kuh bzw. zu einem großen Rind zu unterstützen. Außer dem Menschen gibt es kein anderes Säugetier, welches sich nach dem Säuglingsalter noch mit Milch ernährt – geschweige denn der Milch einer anderen Spezies.

Laktosetoleranz ist eine Genmutation.

Auch in der menschlichen Geschichte fand die Milch erst als Notnahrung Anwendung vor etwa 7.000 Jahren, als die Menschen mit der Viehzucht begonnen haben. Auch heute sind noch 75% der Menschen nach dem Säuglingsalter laktoseintolerant. Verbreitet ist die Laktoseintoleranz dabei in Asien und Afrika [3]. Allein durch eine Genmutation ist es einigen Menschen möglich auch noch nach dem Säuglingsalter das Laktose spaltende Enzym Laktase zu produzieren. Ursprünglich und auch in der heutigen Zeit ist der menschliche Körper nicht auf die Milchzufuhr von Tieren angewiesen.

Die in Deutschland als Krankheit eingestufte Laktoseintoleranz ist also eine ganz normale körperliche Entwicklung.

Mit hohem Milchkonsum assozierte Erkrankungen

Zudem kommt hinzu dass der Milchkonsum mit unterschiedlichen Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Ein erhöhter Milchkonsum steht u.a. in dem Verdacht einige Krebserkrankungen wir Prostatakrebs zu fördern [4]. Ein höhere Milchkonsum in der Kindheit und Pubertät kann außerdem das Risiko für Akne, erhöhtem BMI, Insulinresistenz und dem frühen Einsetzen der Pubertät zur Folge haben. Diskutiert werden hier insbesondere Hormone und insulinähnliche Wachstumsstoffe als auslösende Inhaltsstoffe der Milch [5, 6].

Milchkonsum und Kalzium

Empfohlen wird die Milch häufig als Kalziumlieferant für starke Knochen. Jedoch ist auch die Deckung des Kalziumbedarfs über pflanzliche Lebensmittel keine große Herausforderung. Lebensmittel wie Grünkohl, Rucola, Brennnesseln, Sesam, Chiasamen, Leinsamen, Mandeln und Haselnüsse liefern einen mittleren bis teilweise hohen Kalziumgehalt bei mittlerer bis hoher Bioverfügbarkeit. Moderate Mengen decken bereits das erste Drittel des Tagesbedarfs [7].

Spinat und Mangold enthalten ebenfalls viel Kalzium, jedoch kann durch hemmende Stoffe innerhalb dieser Gemüsesorten nur ca. 5% aufgenommen werden [8]. Neben den natürlichen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten auch Pflanzenmilch (zugesetztes Kalzium) und Tofu (mit Kalziumsulfat als Gerinnungsmittel) Kalzium, welches zur Bedarfsdeckung beitragen kann [7]. Zudem ist Mineralwasser mit einem Kalziumgehalt über 150 mg/l eine geeignete Kalziumquelle [9].

Das ein hoher Milchkonsum nicht die Kalziumaufnahme fördert, sondern der gegenteilige Effekt eintritt, ist ein Mythos der sich insbesondere bei vegan lebenden Personen hält. Die These, dass eine hohe Zufuhr tierscher Proteine aufgrund einer induzierten chronischen metabolischen Azidose, welche zu einer erhöhten Kalziurie führen solle und somit zu einer geringeren Knochendichte führen könnte, wird in Frage gestellt [10,11].

Wichtig zu wissen ist außerdem, dass die Knochengesundheit nicht alleine durch den Kalziumkonsum bestimmt wird. Neben der Versorgung mit Kalzium ist für den Erhalt und Aufbau der Knochen insbesondere eine ausreichende Vitamin D-Versorgung bedeutend [12]. Aber auch andere Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Vitamin C und Vitamin K scheinen einen Einfluss auf die Knochengesundheit zu haben [13,14,15, 16].

Ökologische Folgen der Intensivtierhaltung

Aus den vorangegangenen Ausführungen ist ersichtlich, dass Milch aus gesundheitlichen Gründen nicht für den Menschen notwendig ist. Nun fehlt noch die Betrachtung ökologischer Aspekte.

Die Folgen der Intensivtierhaltung schlagen sich vor allem in ihrer Umwelt(un)verträglichkeit nieder. So entstehen durch die Verwendung der in der Intensivtierhaltung entstandenen Gülle und des Mist Nitrat und Phosphat Einträge in die Böden, welche in dessen Folge eine Überversorgung des Erdreichs sowie eine Anreicherung im Grundwasser hervorrufen können. Auch Antibiotikarückstände können auf diese Weise in die Umwelt gelangen.

Zudem trägt die Intensivtierhaltung einen großen Anteil zu den treibhauswirksamen Schadstoffemissionen bei. Es entfallen ca. 33% der Schadstoffemissionen auf die Argar- und Ernährungswirtschaft, wobei davon 75% auf die Produktion tierischer Produkte zurückzuführen sind [17]. Die Rinder oder Kuhhaltung trägt dabei einen beachtlichen Anteil an den Treibhausgasemissionen bei. Verantwortlich hierfür ist der Ausstoß an Methan der Wiederkäuer.

Pflanzliche Alternativen - einfach lecker!

Für mich überwiegen die Nachteile der Milchproduktion den Vorteilen, die der Milchkonsum mit sich bringen soll. Wenn du mir zustimmst und bisher noch Milchprodukte konsumierst, kannst du schrittweise deinen Konsum reduzieren.

Ersetze doch die Milchprodukte in deinen Mahlzeiten durch leckere pflanzliche Alternativen. Hinsichtlich der Milchalternativen gibt es bereits eine gesamte Produktpalette. Die klassische Kuhmilch ersetzen Pflanzendrinks aus unterschiedlichen Ausgangsstoffen. Joghurt und Käse-Alternativen finden sich ebenso nahezu in jedem Supermarkt. Doch Vorsicht, nicht alle Alternativprodukte stellen vollwertige und gesunde Lebensmittel dar!

Pflanzenmilch kannst du dir übrigens auch sehr einfach selber machen. Zwei tolle Rezepte findest du hier.

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[1] Henrich, P. (2019). Statistiken zu Milch und Milchprodukten. Abgerufen am 06.03.2020 von https://de.statista.com/themen/190/milch-milchprodukte/

[2] Gierke, F. (2016). Kontrollen von Rinderanbindehaltungen im Landkreis Cloppenburg – Erfahrungen und tierschutzrechtliche Maßnahmen; Tagungsband des 10. Niedersächsischen Tierschutzsymposiums

[3] Utopia (2015). Ist Milch gesund? – 5 Argumente gegen Milch. Abgerufen am 06.03.2020 von https://utopia.de/ratgeber/milch-gesund-ungesund/

[4] Allen, N.E. et al. (2008). Animal Foods, Protein, Calcium and Prostate Cancer Risk: The European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition; British Journal of Cancer. 98(9):1574-1581. doi:10.1038/sj.bjc.6604331.

[5] Max-Rubner-Institut (2014). Ernährungsphysiologische Bewertung von Milch und Milchprodukten und ihren Inhaltsstoffen – Bericht für das Kompetenzzentrum für Ernährung, Bayern.

[6] Melnik, B.C. (2009) Milk–the promoter of chronic Western diseases; Med Hypotheses, 72(6): p. 631-9.

[7] Rittenau, N. (2019). Vegan-Klischee adé! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung. Ventil Verlag.

[8] Biesalski, H.-K. (2016). Vitamine und Minerale : Indikation, Diagnostik, Therapie. Stuttgart: Thieme Georg Verlag.

[9] Heaney, R. P., Davies, K. M., Chen, T. C., Holick, M. F. & Barger-Lux, M. J. (2003). Human serum 25-hydroxycholecalciferol response to extended oral dosing with cholecalciferol. The American Journal of Clinical Nutrition, 77(1), 204–210.

[10] Bonjour, J.-P. (2005). Dietary Protein: An Essential Nutrient For Bone Health. Journal of the American College of Nutrition, 24(sup6), 526S-536S.

[11] Ginty, F. (2003). Dietary protein and bone health. Proceedings of the Nutrition Society, 62(4), 867–876. Cambridge University Press.

[12] Bischoff-Ferrari, H. A., Shao, A., Dawson-Hughes, B., Hathcock, J., Giovannucci, E. & Willett, W. C. (2010). Benefit–risk assessment of vitamin D supplementation. Osteoporosis International, 21(7), 1121–1132.

[13] Feskanich, D., Weber, P., Willett, W. C., Rockett, H., Booth, S. L. & Colditz, G. A. (1999). Vitamin K intake and hip fractures in women: a prospective study. The American Journal of Clinical Nutrition, 69(1), 74–79. Narnia.

[14] Schek, A. (2017a). Vitamin K – ein Update, Teil 1. Ernährungs Umschau.

[15] Schek, A. (2017b). Vitamin K – ein Update, Teil 2. Ernährungs Umschau.

[16] Zhu, K., Devine, A. & Prince, R. L. (2009). The effects of high potassium consumption on bone mineral density in a prospective cohort study of elderly postmenopausal women. Osteoporosis International, 20(2), 335–340. Springer-Verlag.

[17] Meier, T. (2013): Umweltwirkungen der Ernährung auf Basis nationaler Ernährungserhebungen und ausgewählter Umweltindikatoren. Dissertationsschrift Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale).

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4 Kommentare

  1. Ich finde deinen Artikel sehr gut recherchiert und leicht verständlich geschrieben. Ich würde noch die paar Rechtschreibfehler heraus nehmen.LG, Sabine

  2. Liebe Corinna,
    bin durch Recherche für meine Bachelorarbeit auf deinen Artikel gestoßen und finde ihn sehr gut und auch super recherchiert. Vielen Dank!

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